TiPES: Wann kippt das Klima?
Interdisziplinäres Projekt zu Tipping Points

1,5 oder 2 Grad – wie viel Erderwärmung ist zu viel? Solche Fragen zu klären und Kipppunkte im Erdklima zu definieren, ist Ziel des Großprojekts Tipping Points in the Earth System (TiPES). An Bord des interdisziplinären Forscher-Teams ist Prof. Christian Kühn von der TUM Fakultät für Mathematik.
Hauptziel des TiPES-Projektes ist es, Kippelemente im Klimasystem der Erde besser zu quantifizieren - und so zu vermeiden, dass sie erreicht werden. Denn insbesondere die unverminderten Emissionen von Treibhausgasen können dafür sorgen, dass verschiedene Komponenten des Erdsystems bis zu ihren Kipppunkten beansprucht werden.
Tipping Points: schwer zu simulieren

Der Regenwald ist ein Beispiel für ein mögliches Kippelement (Tipping Point): Durch die Entwaldung kann das Ökosystem kippen - mit klimatischen Konsequenzen.
Kippelemente oder Tipping Points definieren kritische Schwellenwerte, die den Zustand oder die Entwicklung eines Systems stören. Ein Beispiel ist die Abholzung des Regenwaldes: In diesem Ökosystem zirkuliert Wasser. Das führt zu Regenfällen. Entwalden die Menschen den Regenwald, ist irgendwann der Punkt (Tipping Point) erreicht, an dem das Ökosystem austrocknet und damit zusammenbricht - mit schwerwiegenden Folgen für die gesamte Flora und Fauna, aber auch für weitere Ökosysteme.
In der Erdgeschichte treten immer wieder solche Tipping Points auf. Doch welche Mechanismen genau zu solchen abrupten Veränderungen führen, ist nur teilweise bekannt und noch unzureichend erforscht. Aktuelle Modellierungen des Erdsystems reagieren nur leicht auf Tipping Points und erklären die starken nichtlinearen Prozesse nicht. Sie haben Schwierigkeiten, plötzliche Veränderungen zu simulieren – selbst solche, die tatsächlich in der Geschichte des Planeten aufgetreten sind.
TiPES will Klima-Modelle verbessern
Das TiPES-Projekt soll helfen, die Dynamik und die Schwellenwerte von Tipping Points im Klimawandel zu verstehen und zu erklären. Niklas Boers, Forscher am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung und assoziierter TiPES-Koordinator, präsentierte am 11. April 2019 auf einer Sitzung der General Assembly of the European Geosciences Union (EGU) einen Überblick über das TiPES-Projekt.
Es soll für 6 bedenkliche Kippelemente wichtige Schwellen- und Systemdynamikdaten liefern - wie das Portal EOS berichtet:
- Umwälzung der atlantischen thermohalinen Nord-Süd-Zirkulation
- Abschmelzen der arktischen und antarktischen Eisdecken und Meereis
- Entwaldung des Amazonas-Regenwald-Ökosystem
- Zusammenbruch des südamerikanischen und asiatischen Monsuns
- Gefahr der Wüstenbildung im Mittelmeerraum
- Schmelzen der Gletscher in den alpinen Regionen
Forschungsstellen für Mathematiker
Um diese klimatischen Prozesse künftig besser zu modellieren, bringt das Projekt Tipping Points in the Earth System Forscher unterschiedlicher Disziplinen zusammen: Mathematiker, Klimaforscher und Soziologen. Christian Kühn, Professor für Mehrskaligkeit und stochastische Dynamik an der Fakultät für Mathematik, ist einer der Workpackage-Leiter des Projekts und vertritt die Mathematik.
Insgesamt sind europaweit 25 Forscher*innen von 18 Institutionen in 12 Ländern als Workpackage Leader an dem Projekt beteiligt. Es wird vom EU-Programm Horizon 2020 finanziert und läuft ab September 2019 4 Jahre lang. Das TiPES Project bietet Forschungsstellen für etwa 30 PostDocs - 2 davon an der TUM, die ein Hauptstandort für den Teilbereich Mathematik ist. Im September soll das Forscher-Team vollständig sein. Die offizielle Eröffnungsfeier findet im Oktober 2019 im Institut Henri Poincaré in Paris statt.
Detaillierte Informationen finden Sie auf der Website zum Projekt "Tipping Points in the Earth System".